08 September 2010

Verhalten von Farbpigmentpasten in Rührwerksbehältern bei Farbdosieranlagen


Einleitung

Viele Anwender und Betreiber von Tönanlagen kennen die Problematik der Alterung von Pigmentpasten in Rührwerksbehältern. Sehr häufig werden mit der Dauer des Betriebes dieser Anlagen ein Aufkonzentrieren der Pasten in den Behältern durch Flüssigkeitsverlust und die Bildung von Ablagerungen (Plaque) auf Teilen der Rührwerke beobachtet. Weiterhin bildet sich bevorzugt im oberen Bereich der Behälter Kondenswasser. Dieses Kondenswasser neigt sehr leicht dazu sich retardierend zu verflüchtigen. Dieser Effekt wird dadurch begünstigt, dass die in der Regel aufgesetzten Behälterdeckel aufgrund von Randverkrustungen nicht mehr exakt schließen. Mit dem Betrieb dieser Anlagen treten diese Effekte gleichzeitig auf. Insgesamt kann mit der Dauer des Betriebes deshalb von einer signifikanten Beeinträchtigung der Pastenqualität ausgegangen werden. Als Folge dieser Beeinträchtigung können Funktionsstörungen der Dosieranlage oder die Beeinflussung des Farbtönergebnisses auftreten. Oft kann nur durch Wechseln des Behälter-/Pumpensystems Abhilfe geschaffen werden. Insbesondere Pasten die nur in geringen Mengen und sehr selten dosiert werden sind besonders betroffen, aber auch Pasten die eine sehr hohe Trocknungsneigung aufweisen, wie etwa Oxidpasten sind gefährdet.


Problembeschreibung

Anlagen, die von längeren Betriebsunterbrechungen betroffen sind weisen oft schon nach kurzer Zeit typische Absetzerscheinungen von Pastenpigment und Füllstoffen in den Behältern auf. Oftmals bildet sich gar ein wässriger Überstand auf den sich absetzenden Pasten der durch den Rücklauf des Kondensates vom Deckelbereich noch begünstigt wird. Zwar werden mit dem Betreiben der Rührwerke die Pasten pumpfähig homogenisiert, jedoch sind bei vielen Rührwerkstypen insbesondere an den Blattansätzen der Rührwerksachse Absetzrückstände zu erkennen. Hier reicht die Rührwerksgeschwindigkeit oft nicht aus, um diese wieder zu lösen. Treten diese Stillstände wiederkehrend auf, ist die Plaqueanreicherung zunehmend. Gleichzeitig werden besonders bei nicht ganz gefüllten Behältern die Benetzungseffekte der Innenwände immer ausgeprägter. In der Folge werden die Außenbereiche dieser Wandablagerungen vom Rührwerksblatt erfasst, was weitere Klumpenbildung zur Folge hat. Diese Klumpen haben vielfach zähe Struktur und fördern zusätzlich die Bildung von Plaque. Bezieht man das nun fortschreitende Verflüchtigen der Kondenswasserabscheidungen mit ein, kann leicht eine Pigmentkonzentration von > 1:1,5 auftreten. Dies bedeutet, dass in diesem Fall bei volumetrischer Dosierung rd. 50% mehr Pigment je ml dosiert werden. Das heißt, die Genauigkeit des Dosiersystems weicht um diesen Wert ab. Das Nachbefüllen von Neupaste begünstigt zusätzlich die Plaquebildung besonders dann, wenn die Behälter nicht komplett befüllt werden. Das teilweise Ablösen der Plaque und der Wandbenetzung beschleunigt wiederum die zuvor beschriebenen Effekte. Im schlimmsten Fall werden die Pasten so eingedickt, dass sie nicht mehr pumpfähig sind. In der Folge sind Schäden an Rührwerk und Pumpen nicht ausgeschlossen. Zu der nun nicht mehr gegebenen Genauigkeit der Dosierung wäre dann auch eine unzureichende Präzision der Dosierung zu verzeichnen.

Zu einer weiteren Beeinträchtigung der Pasten innerhalb der Rührwerksbehälter führt die mikrobiologische Aktivität. Insbesondere für aerobe Stämme bietet sich hier ein idealer Lebensraum. Zwar werden den Pastenkonzentraten bei der Herstellung zwischen 0,1% und 0,2 % Biozid beigemengt, doch ist diese Wirksamkeit nicht auf Dauer gegen alle Mikroben beständig. Rührwerksbehälter verhalten sich dabei wie Inkubatoren, sie versorgen Mikroorganismen mit Nährstoffen und halten die Sauerstoffversorgung aufrecht. Besoders Dispergierungsmittel enthalten häufig Phosphatbestandteile (z.B. Dispergierungsmittel tetra-Natrium-di-phosphat) die auf Mikroorganismen populationsfördernd wirken. Mit einsetzender mikrobiologischer Aktivität ist es auch denkbar, dass sich bei längeren Anlagenstillständen mit der Zeit anaeroben Bedingungen einstellen. Besonders die Oxidanteile werden dann bevorzugt von Sulfat- und Eisenreduktion betroffen. Sehr häufig sind faulige Gerüche der Pasten als Indiz für die einsetzende mikrobiologische Aktivität zu beobachten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass nach dem Einfüllen der Pasten in den Rührwerksbehälter die Pasten nur noch eine begrenzte Haltbarkeit besitzen. Eine sich einmal eingestellte Mikrobiologische Aktivität setzt sich auch dann noch fort, wenn Originalpasten nachgefüllt werden. Um die Ursprungsbedingungen dann wieder herzustellen bleibt nur der Weg, den Rührwerksbehälter zu reinigen und anschließend zu trocknen bevor wieder neue Pastenkonzentrate eingefüllt werden.


Untersuchungen

Warum aber werden Rührwerksmaschinen immer noch betrieben und liefern in der Praxis offensichtlich beständig ausreichende Ergebnisse. Um diese Frage zu beantworten musste die Bedeutung der zuvor beschriebenen physikalischen Veränderungsprozesse für das Ergebnis des Zielfarbtons ermittelt werden. Für die Bedeutung dieser physikalischen Rührwerkseffekte galt es herauszufinden, ab wann mit visuell feststellbaren Abweichungen des Farbergebnisses zu rechnen ist. Zunächst wurden die Hauptrezepturen handelsüblicher Pastenkonzentrate betrachtet um zu erkunden in welchen Bereichen die Hauptbestandteile variieren.

Tabelle1: Hauptbestandteile wichtiger Pastenkonzentrate

In der Tabelle sind einige der wichtigsten Pastenkonzentrate aufgeführt. Es ist erkennbar, dass aufgrund der unterschiedlichen Pigmenteigenschaften verschiedene Rezepturen notwendig sind um verarbeitungsfähige Pasten zu erzeugen. Vor allem beim Pigment-, Wasser -, und Dispergierungsmittelgehalt gibt es sehr breite Bereiche. Die erklärt die Beobachtungen, dass einige Pasten sehr rasch Veränderungen aufweisen, während Andere scheinbar länger stabil bleiben. Auf eine Rezeptur mit nur 25% Wasseranteil wirkt sich ein relativer Flüssigkeitsverlust von 50% gravierender aus, als bei einer Paste mit einem Wasseranteil von 50% und mehr. Es wurden verschiedene Pastenkonzentrationen der Versuchspaste Oxidrot erzeugt, die in etwa einem Gaussschen Verteilungsmuster entsprachen. Oxidrot wurde ausgewählt, weil diese nach vorgegebener Rezeptur in etwa 50% Wasseranteil haben sollte und die nachstehenden Versuchsbedingungen mit höheren Wasseranteilen als Ausgangsbedingung besser einstellbar sind.

Die Sollkonzentrationen wurden durch Anreicherung oder Verdünnung von Originalpaste erreicht. Das Erreichen der gewünschten Konzentration wurde durch Bestimmung des Wassergehaltes durch Ofentrocknung bei 105°C und wiegen bis zur Massekonstanz überprüft. Für die Verdünnungsreihen wurden jeweils die geforderten Wassermengen adaptiert. Die Erzeugung der Anreicherungsstufen war schwieriger. Es wurde eine Ausreichende Menge an Paste der geringsten Wassergehaltsstufe erzeugt bei der das Material noch stichfeste Konsistenz hatte. Diese wurden mit Originalpaste nach Mischungsberechnungen anteilig zur Sollkonzentration homogenisiert. Es wurde ein Zielfarbton ausgewählt, der aus mindestens drei Einzeltönen und Basis besteht. Die Versuchspaste wurde jeweils als 1% Anteil der verschiedenen Konzentrationsstufen zugegeben. Es wurden Referenzmusterkarten der gleichen Schichtstärke bestrichen und jeweils zwei Karten der jeweiligen Abweichungsstufe. Diese wurden drei Personen zur visuellen Beurteilung vorgelegt, wobei diese zwischen heller, dunkler, satter und transparenter unterscheiden sollten. Den Beurteilern waren die zu Grunde liegenden Versuchskonzentrationen nicht bekannt.

Grafik 1: Versuchskonzentrationen und Einfluss auf das Farbergebnis

Die Auswertung ergab, dass eine signifikante Farbabweichung des Sollfarbtones erst bei einer Anreicherung von 17% , und einer Verdünnung um 21% visuell feststellbar ist (siehe Grafik 2). Das bedeutet, dass in diesem Versuch eine Farbtreue einer einzelnen Paste bei bestimmter Rezeptur eine Variation der Abweichung der Ursprungskonzentration in einem Bereich von etwa 40% zulässt. Dies erklärt, warum die zuvor beschriebenen Effekte keinen nennenswerten Einfluss auf das Farbergebnis zu nehmen scheinen. Ein weiterer Versuch sollte ermitteln, wie die Ablauffähigkeit der Pasten auf einer glatten Behälterinnenseite in Abhängigkeit zur Konzentration steht. Dazu wurde die Zeit gemessen die ein Tropfen von 1ml benötigt um eine Strecke von 1m an einer Schiefen Ebene mit definierter Steigung zurücklegt, oder wann dieser zum Stillstand gerät. Dieser Versuch sollte die Grundlagen der Paquebildung und der Benetzung beschreiben. Dazu worden die verbleibenden Rückstände bis 50cm ab Start nach der Trocknung von der Versuchsfläche abgekratzt und ausgewogen. Die Wägeergebnisse wurden auf die Originalsubstanz zurückgerechnet.

Grafik2: Fließstrecken 1ml Paste in Abhängigkeit vom Lösemittelgehalt Schiefe Ebene

Die Grafik zeigt, dass bei einer relativen Anreicherung von etwa 1:1,3 100% der Paste des Volumens 1ml nicht mehr als 50cm Ablaufstrecke bei 60° Neigung zurückgelegt werden. Bei Originalpaste sind die verbleibenden Rückstände immerhin noch bei 12% bis 50cm Ablaufstrecke. Die Überschneidung des Kurvenverlaufs der Fließstrecke und der Rückstandsbildung ist bei ca. 80%. Das lässt folgende Interpretation zu. Ab einem Verlust des Lösemittels von etwa 20% zur Originalkonzentration kann mit einer Beeinträchtigung der Maschinenfunktion gerechnet werden. Schon mit der Originalkonzentration bleiben Ablaufrückstände an der glatten Oberfläche haften was bedeutet, dass selbst dann schon mit Plaquebildung zu rechnen ist. Mit der Weiteren Anreicherung kann die Pumpfähigkeit der Pasten gemindert sein.


Resumee

Es wurde beschrieben, welche Prozesse die Qualität von Farbpigmentpasten im Innern von Rührwerksbehältern bei Farbdosieranlagen beeinflussen. Anhand einfacher Untersuchungen wurde gezeigt, dass insbesondere Anreicherungsprozesse durch Lösemittelverlust eine hohe Einflussnahme auf Beeinträchtigungen beisteuern. Es wurde aber auch festgestellt, dass die visuelle Farbtreue des Tönergebnisses in einem weiten Bereich der Pastenkonzentration keinen sichtbaren Einfluss zu haben scheint. Daher ist es erklärbar, dass trotz augenscheinlich veränderter Pastenqualität noch akzeptable Tönergebnisse erzielt werden. Die Präzision und die Genauigkeit der Dosierung der Anlagen sind bei etwa einer Reduzierung von 20% des Lösemittels beeinträchtigt.

Die Rührgeschwindigkeit reicht nicht aus um die Absetzneigung auf den Rührwerksblättern zu vermeiden. Besonders an den Blattansätzen in der Nähe zur Drehachse sind die Fliehkräfte zu gering um Partikel nach außen zu leiten. Insgesamt ist der Medienwiderstand zu gering um Plaquebildung zu vermeiden.

Rührwerksbehälter fördern durch den kontinuierlichen Eintrag von atmosphärischen Sauerstoff in die Pastenmatrices den mikrobiologischen Abbauprozess von Pastenbestandteilen und führen so zu Alterungseffekten. Ungünstigenfalls werden durch biogenen Metabolismus Pasten unbrauchbar.

Hinweis:

Diesen Studien liegen keine wissenschaftlich verifizierten und genormten Prüfverfahren zu Grunde. Es wurden eigens Testverfahren entwickelt, die lediglich Hinweise auf verschiedene Prozesse innerhalb von Rührwerksbehältern ergründen sollten um plausible Erklärungsmodelle zu entwickeln.

Bensheim, im Januar 2009

Uwe Michael Schlitt

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